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Raddampfer „Express I“ vor der Insel Mön

Jahrelang wurde das historische Wrack betaucht, ohne dass bekannt war, um welches Schiff es sich eigentlich handelt. Mit Hilfe moderner Modellierungsverfahren und Archivrecherchen gelang es Holger Buss (dive3D.eu) eine eindeutige Identifikation eines technisch hochinteressanten Fahrzeugs mit einer tragischen Gesichte.

Das 57 Meter lange und knapp 8 Meter breite Schiff liegt in einer gut erreichbarer Tiefe von nur 21 Metern und ragt mit der Ausnahme des Dampfkessels und der Schaufelräder kaum aus dem sandigen Grund. Wegen der seltsamen Position dieser Schaufelräder sieht so aus, als würde das Hinterschiff fehlen. Schließlich der Antrieb bei meisten Raddampfern kurz hinterm Hauptspant und somit etwas hinter der Schiffmitte angeordnet. Allerdings gibt es auch eine Bauweise, bei der die Schaufelräder am Heck platziert sind. Diese Eigenart führte Zeitlang zur Annahme, dass es sich um den im Jahr 1888 in Stettin gebauten deutschen Flussdampfer „Hans“ handeln könnte, welcher am Ende des zweiten Weltkriegs ostdeutsche Flüchtlinge nach Kopenhagen bringen sollte und sank. Diese Annahme wurde durch die Funde von DKW-Motorrädern und 98K-Karabinern bestärkt. Dass es sich um einen Flussdampfer handeln muss, zeigt eine Mastlegevorrichtung im Vorschiff. Der niedrige Tiefgang und Freibordhöhe eines für Flüsse und Kanäle optimierten Schiffs würden auch erklären, weshalb das Wrack weitegehend versandet ist. Allerdings war „Hans“ mindestens 10 Meter kürzer als das Wrack vor Mön wie es frühere Vermessungen zeigten.


Im August 2024 wurde das Wrack im Rahmen einer Expedition von Marine Research Germany vom Wrackforscher Holger Buss fotogrammetrisch erfasst, wodurch ein hoch aufgelöstes 3D-Modell entstand. Den finalen Aufschluss gab die Dampfmaschine, die auffällig flach auf dem Boden lag. In diesem Fall ist sie nicht durch den Verfall des Wracks umgestürzt, sondern war von Anfang an so konzipiert, um die Gesamthöhe des Schiffs zum Passieren unter niedrigen Brücken zu reduzieren. Mit dieser Erkenntnis und durch den Abgleich zahlreicher Details mit den Bauzeichnungen wurde das Wrack zweifelsfrei als deutscher Heckraddampfer „Express I“ identifiziert.


„Express I“ war eines von drei Schwesterschiffen, die im Jahr 1911 auf der Bremer Atlas-Werft gebaut wurden und im Jahr 1940 auf Binnenschifffahrtswegen nach Danzig kamen. Im Frühling 1945 wurden sie durch die Kriegsmarine für den Verwundetentransport konfisziert und verkehrten auf der Ostsee in Küstennähe. Am letzten Kriegstag wagten die Überlebenden des Danziger FlaK-Bataillons die gefährliche Reise von der Halbinsel Hela nach Dänemark, eher sie in die sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten. Ihre Flucht war nur noch mit den zwei übriggebliebenen Binnenfrachtern möglich, die aufgrund ihrer Bauweise nicht ansatzweise seetüchtig genug waren, um dem offenen Meer standzuhalten. Ihre langen und schmalen Rümpfe waren nicht für die mechanischen Belastungen des Seegangs ausgelegt und so brach „Express I“ nur drei Seemeilen von Mön entfernt mittig auseinander. Viele Soldaten gingen mit dem Schiff unter und der Rest wurde von der nun hoffnungslos überladenen „Express III“ aufgenommen, bevor sie dann einen kleinen Hafen nördlich der Insel angelaufen hat, um dem gleichen Schicksal zu entkommen. Die Überlebenden gingen verdeckt an Land und zerstreuten sich, um einer möglichen Verfolgung zu entgehen. Weder die genaue Anzahl der Menschen an Bord beider Schiffe noch die Anzahl der Todesopfer lassen sich heute bestimmen…

Quelle: Holger Buss - dive3d.eu


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