Seit 1960-ern wird das Wrack in den DDR-Seekarten als Fischerboot „Zeearend“ geführt. Bloß ist dieses Wrack gut ein Drittel kürzer als es eigentlich sein sollte…
Der Kriegsfischkutter, der laut Seekarten etwa vier Seemeilen westlich vom Darßer Ort liegen sollte, wurde in Niederlanden im Jahr 1915 als dampfbetriebener Fischlogger gebaut und fuhr zunächst unterm Namen „Delfland“ bis er im Jahr 1939 auf den Namen KW 103 „Zeearend“ umgetauft wurde. Gleichzeitig erhielt er an Stelle einer Dampfmaschine einen 240 PS starken Dieselmotor von Deutz. Während der deutschen Invasion wurde das 30,6 m lange und 6,2 m breite Fahrzeug mit einer Tonnage von 141 Bruttoregistertonnen im Jahr 1941 von der Kriegsmarine beschlagnahmt, um dann in die westliche Ostsee verlegt zu werden. Seit Januar 1942 Fuhr es als DPk 11 vor der pommerschen Küste und ist im Juli 1942 vor Darß gesunken.
Besucht man das Wrack, stellt man schnell fest, dass es viel kleiner als erwartet ist. Mit seinen ca. 21 Metern Länge und 5 Metern Breite ist es nicht an die „Zeearend“ herangewachsen. Vergeblich sucht man hier nach Laderäumen mit großen Luken für den Fang oder nach einem großen Maschinenraum, der als Relikt aus der Zeit bleiben müsste, in der eine voluminöse Dampfmaschine mit dem Kessel noch dastanden. Dafür eine große Winde im Hinterschiff, die inzwischen zusammen mit einem Stück Decks eingebrochen ist. Auch wenn ein typischer Schlepphacken aus irgendeinem Grund fehlt, erkennt man in der Gesamtanordnung eher einen Schlepper als einen Fischkutter.
Bei einer Recherche stößt man auf zwei Schiffe namens „Neptun“, die kurioserweise am selben Tag an der Grenze von zwei benachbarten Marineplanquadraten gesunken sein sollen. Einmal handelt es sich um einen 211 BRT großen Dampffrachter, der nach der Kollision mit einem anderen Frachtschiff unterging. Für diese Verdrängung müsste das Wrack aber fast doppelt so lang sein. Das andere Fahrzeug ist der Motorschlepper „Neptun 211“, der auf eine Mine gelaufen ist und mit seinen 20 Metern Länge, bzw. 5,5 Metern Breite ziemlich genau zu unserem Wrack passt. Bloß fehlen hier typischen Merkmale eines Minentreffers und das Wrack an sich ist zu sehr intakt geblieben. Allerdings ahnt man schon bei der ganzen Anhäufung von Zufällen, dass es sich bei einem der „Neptuns“ um einen Fehler handeln muss. Doch selbst dann ist der Fall noch lange nicht gelöst. Allein in den Kriegsjahren sind in der Nähe zahlreiche weitere Untergänge bekannt. Darunter Vorpostenboot „Fortuna“, welches ähnlich groß wie „Zeeahrend“ war und nach einer Kollision mit dem Marineschlepper „Boreas“ im Jahr 1944 gesunken ist. Man merkt es schon, wo die Schwierigkeiten liegen könnten…
Wenn man bei der Hypothese bleibt, dass es beim unbekannten Wrack um „Neptun 211“ handelt, stellt man auch fest, dass das Wrack geräumt und verschrottet sein soll. Stattdessen fehlen dem in 14 Metern Tiefe auf dem ebenen Kiel liegenden Wrack lediglich die Aufbauten und der wertvolle Dieselmotor. Auch das könnte man als Wrackbeseitigung deuten. Der höchste Punkt des Wracks ragt nur noch bis in eine Tiefe von 9 Metern, wo sie es die Küstenschifffahrt nicht mehr gefährlich ist. Alles andere wäre dann beseitigt. Das Fehlen eines Schlepphackens ist allerdings nach wie vor ein Rätsel. Es bleibt also spannend.
Es bleibt möglicherweise nicht allzu viel Zeit, um das Wrack zu identifizieren, da sich der Verfall in den letzten Jahren deutlich beschleunigt hat. Noch vor 10 Jahren war das Deck und Teile des Schanzkleids weitgehend intakt. Besonders markant ist die vordere Pollerbank auf der Backbordseite, die zusammen mit einem Stück Decksbeplattung wie eine Konservendose aufgebrochen ist. Entweder war da ein ankerndes Schiff am Werk oder jemand hat die Poller dazu genutzt, ein größeres Taucherschiff mit einem Seil im Seegang am Wrack zu sichern.
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