Aviso war eine Klasse von kleinen und schnellen Kriegsschiffen im 19. Jahrhundert. Sie fungierten als eine Art Dienstboote zur Nachrichten- und Befehlsübermittlung innerhalb der Flotten in der Zeit, bevor das Schiffsfunk eine stabile und zuverlässige Kommunikation ermöglichte. Außerdem wurden sie gerne als Vorposten-, Aufklärungs- und Verbindungsboote genutzt.
Die SMS „Wacht“ lief im Jahr 1887 vom Stapel der bremer Werft AG Weser und wurde 1888 in Wilhelmshaven feierlich in Dienst gestellt. Sie und ihre Schwester SMS „Jagd“ waren im Wesentlichen experimentelle Entwürfe, deren Entwicklung von einer Fehlannahme geleitet wurde, dass die relativ neue Torpedowaffe die Zukunft der Seekriegsführung darstellen wird. Vor diesem Hintergrund hat die „Wacht“-Klasse eine schwache Artilleriebewaffnung in Verbindung mit der Geschwindigkeit eines damaligen Torpedobootes (bis zu 19 kn) zugunsten von Torpedobewaffnung aus drei Waffenrohren erhalten. Bei einer Schiffslänge von ca. 86 Metern hatte der Aviso eine Verdrängung von 1250 Tonnen. Aus geringen Schiffabmessungen und aus späterer Nachrüstung eines Panzerdecks resultierte jedoch eine begrenzte Seetüchtigkeit und Manövrierfähigkeit.
Nach ihrer Indienststellung ging „Wacht“ ihren üblichen Flottendiensten nach, agierte aber auch als Führerschiff einer Torpedobootsflotille, als Schulschiff und sogar als Begleitschiff für die Staatsyacht „Hohenzollern“. Diese Dienstzeit wurde, wie damals üblich, durch mehrere Reservezuordnungen und reparaturbedingte Außendienststellungen unterbrochen. Ab 1899 wurden beide Avisos trotz ihrer geringen Schlagkraft und niedrigen Militärwerts als kleine Kreuzer neu klassifiziert. Mitte 1901 erfolgte die letzte Eingliederung des Schiffs ein eine Aufklärungsgruppe. In dieser Funktion sollte „Wacht“ bei Manövern in der Danziger Bucht teilnehmen und war im Kriegsmarsch auf dem Weg dorthin, als sie vor Rügen nordöstlich vom Kap Arkona von der Panzerkorvette SMS „Sachsen“ mittschiffs gerammt wurde und unterging. Glücklicherweise konnte danach die gesamte 141-Mann starke Besatzung gerettet werden. Noch im selben Jahr wurden Hebeversuche in 42 Metern Tiefe unternommen, die jedoch aufgegeben werden mussten. Das Schiff stand zwar auf ebenen Kiel, war aber großenteils in den weichen Schlick eingesunken. Letztendlich wurden die Aufbauten der „Wacht“ von Tauchern gesprengt, damit vom Wrack keine Gefahr für den Schiffsverkehr ausgeht.
Nach Jahrzehnten am Meeresgrund ist die genaue Wrackposition mehr oder weniger in die Vergessenheit geraten. Zwar war das Wrack dem Bergungs- und Bugsierdienst der NVA allgemein bekannt, allerdings wusste man irgendwann nicht mehr, um welches Schiff es sich handelte und die Nähe zur BRD-Grenze machte es selbst den Volksarmee-Tauchern nahezu unmöglich, es näher zu untersuchen. Erst nach der Wende hat die „Wacht“ es geschafft, erneut in die Schlagzeilen zu kommen. Diesmal in Verbindung mit einem Skandal. Sie und zahlreiche andere Wracks von den Minentauchern der Bundesmarine für Sprengversuche genutzt, wobei viele Teile der Schiffsausrüstung unerlaubterweise geborgen wurden und ihren Weg in die Messen oder Privatsammlungen fanden.
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