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Fischtrawler „Onega“ in der Bucht von Odessa

Während die sowjetische Schiffbauindustrie seit den 1960-ern Jahren großenteils mit militärischen Aufträgen ausgelastet war, übernahmen ausgerechnet die finnischen und ostdeutschen Werften die Aufgabe, die zivile Schifffahrt in der UdSSR mit hochmodernen Fahrzeugen zu versorgen. Für einige Jahrzehnte waren die sogenannten „Supertrawler“ aus Stralsund das Rückgrat der sowjetischen Hochseefischerei – die Schiffe, die das Land ernährt haben. Eines davon liegt seit 2014 vor der ukrainischen Küste.

Die Geschichte der Fischtrawler vom Typ 464 „Prometey“ geht auf das Jahr 1969 zurück, als die Ingenieure der Volkswerft VEB in Stralsund den Entwurf eines Fangschiffs unterm Namen „Atlantik-Supertrawler“ vorgestellt haben. Zuvor entwickelte dasselbe Konstruktionsbüro eine 20 m kürzere Schiffsklasse namens „Atlantik“, von denen zwischen 1966 und 1976 insgesamt 171 Einheiten vom Stapel in Stralsund und Wismar liefen. Das Präfix „Super“ beschreibt das Folgeprojekt recht gut, denn es war ein Hecktrawler der Superlative, der damals auf diversen internationalen Ausstellungen für Furore sorgte und als der fortschrittlichste seiner Art gepriesen wurde. Bei einer Schiffslänge von 102 Metern handelte es sich eher um eine schwimmende Fischfabrik, die mit einer Seeausdauer von 70 Tagen über 100 Tonnen Fisch pro Tag fangen und direkt vor Ort in 50 Tonnen tiefgefrorenes Endprodukt verarbeiten konnte. Hinzu kam eine Konservenproduktionsanlage mit einer Kapazität von 2400 Dosen pro Tag, Herstellungslinie für Tran (bis zu 4,5 t pro Tag) und für Fischmehl, bzw. für technische Fette (50-60 t pro Tag). Gelagert wurde das Ganze in zwei Tiefkühl-Laderäumen von jeweils 1825 m³ Volumen und in den zusätzlichen Stauräumen (26 m³ für Konserven, 380 m³ für Fischmehl und 19 m³ für Tran). Insgesamt wurden zwischen 1974 und 1989 über 200 von diesen Schiffen für die DDR, Rumänien und vor allem für die Sowjetunion gebaut. Das Ausmaß all dieser Zahlen zeigt ein Stück weit, wo die Ursachen für unsere heutigen Probleme mit der Überfischung der Weltmeere mitunter herrühren.


„Boris Alekseev“ lief im Jahr 1982 vom Stapel und gehörte somit zu den Einheiten eines späteren modernisierten Bauloses. Seinen gesamten Lebenlauf verbrachte das Schiff im Schwarzen Meer. Zwischen 1998 und 2011 wechselte das es sieben Mal seinen Namen und fast genauso oft den Eigner, bevor es beim letzten Mal seinen letzten Namen „Onega“ erhielt. Zum Schluss fuhr es unter Billigflaggen von Tansania oder Sierra Leone und in den Händen von zwielichtigen Eignern aus Panama oder von Seychellen. Im Juni 2014 war „Onega“ im Schlepp und ohne Besatzung auf dem Weg zur Verschrottung vom ukrainischen Nikolaev in die Türkei, als es auf Reede vor der Hafenstadt Juschne nahe Odessa in 24 Metern Tiefe sank. Interessanterweise gab der Kapitän des türkischen Hochseeschleppers auch dann keine Notsignale ab, als das Schiff eine deutliche Schlagseite erreichte. Solche Unfälle bei ausgemusterten Schiffen passieren häufig dann, wenn jemand Versicherungsgelder kassieren möchte. Im Fall von „Onega“ wird aber vermutet, dass das Schiff dazu benutzt werden sollte, Kraftstoff und Schmiermittel in die Türkei zu schmuggeln. Darauf deutet auch ein Ölteppich hin, der nach dem Untergang aus einem eigentlich leeren Schiff ausgetreten ist und noch Paar Jahre danach das Tauchen am Wrack erschwerte.


Heute liegt das Schiff auf Backbord auf einem Festen Untergrund und wurde deshalb nicht zum Schutz der Verkehrswege gesprengt. Dank seines ausgesprochen guten Erhaltungszustands liefert das Wrack erstaunliche Einblicke in seine hochkomplexe Schiffstechnik und Decksmaschinen mit allen Winschen, Bäumen, Masten. Die zahlreichen offenen Luken und Türen laden regelrecht zur Penetration ein. Jedoch ist hier trotz einer geringer Tauchtiefe Vorsicht geboten. Die Innenräume mit Produktionslinien und diverser Maschinerie sind ein regelrechtes Labyrinth und sind deshalb nur erfahrenen Wracktauchern vorbehalten.


Quelle: Wikipedia

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