Eigentlich wünscht man sich einen schöneren Grund solch ein geschichtsträchtiges Wrack aus dem 1. Weltkrieg zu betauchen, als im Rahmen einer Begutachtung nach einem versuchten Diebstahl eines ganzen Wrackfragments.
Der deutsche kleine Kreuzer „Undine“ war das letzte von zehn Schiffen der überaus erfolgreichen „Gazelle“-Klasse für die Kaiserliche Marine und gehörte zu dem dritten, etwas vergrößerten und modernisierten dritten Baulos dieser Schiffsserie. Neben dem Aufklärungs- und Auslandsdienst übernahm der Kreuzer außerdem die Funktion eines Artillerieschulschiffs. Der 105 Meter lange schnittige Rumpf in Verbindung mit zwei Dampfmaschinen und neun Dampfkesseln erlaubten dem 2700 Tonnen schweren Schiff eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 21 Knoten. Vollendet wurde das ästhetisch durchaus ansprechende und elegante Erscheinungsbild durch einen für die damalige Zeit üblichen langen vorstehenden Rammsporn. Dieser konnte zum Rammen von feindlichen Schiffen benutzt werden, wenn die Situation das als letzten Mittel erforderte. Leider wurde dieser Sporn nur den deutschen Torpedobooten SMS S 126 und S 127 zum Verhängnis. Im Jahr 1905 kam es bei einer Nachtübung vor Bülk nahe Kiel zu einem Zusammenstoß von drei Schiffen, wobei S 126 durch den Kreuzer in zwei Hälften zerschnitten wurde und unter Verlust von 33 Mann an Ort und Stelle sank, während S 127 von „Undine“ in den nächsten Hafen geschleppt werden konnte.
Obwohl das Schiff bei seiner Indienststellung zu den modernsten der Kaiserlichen Marine gehörte, musste es bereits 7 Jahre später wegen starker Verschleißerscheinungen außerdienstgestellt werden und kam nach einer Grundreparatur im Jahr 1912 in die sogenannte 2. Bereitschaft der Reserve. Mit dem Beginn des 1. Weltkriegs wurde „Undine“ zurück in den aktiven Dienst überführt und der Küstenschutzdivision auf der Ostsee zugeordnet. In dieser Funktion war sie am 7. November 1915 mit dem Fährschiff „Preußen“ von Trelleborg nach Saßnitz unterwegs, als sie vom britischen Uboot HM S/M E-19 ca. 18 Seemeilen nördlich von Kap Arkona entdeckt und mit zwei Torpedos angegriffen wurde. Enes der Torpedos erwischte den Kreuzer am Bug, während das zweite auf der Steuerbordseite die Munitionskammer traf. Die anschließende Explosion riss ein riesiges Loch im Rumpf und im Oberdeck auf, wodurch „Undine“ innerhalb von nur drei Minuten über Bug sank. Bis auf 24 Mann konnte der Rest der 270-köpfigen Besatzung gerettet werden.
Das Wrack wurde erst 1999 bei einer schwedischen Marineübung per Zufall entdeckt. Im Jahr 2015 wurde durch Marine Research Germany in Begleitung eines Fernsehteams eine Expedition anlässlich des 100. Jahrestags des Schiffsuntergangs durchgeführt. Heute liegt „Undine“ in schwedischen Gewässern in einer Maximaltiefe von 47 Metern mit einer Schlagseite von ca. 50° nach Backbord auf dem schlammigen Grund. Dadurch ragen die mächtigen 105 mm Kasemattgeschütze auf der Steuerbordseite mahnend senkrecht nach oben. Ein Jahrhundert auf dem Meeresgrund ist an dem Kreuzer nicht spurlos vorbeigegangen. Großteil der nicht gepanzerten Decksstrukturen und Aufbauten sind abgerostet und liegen als ein undurchschaubarer Wirrwarr neben dem Wrack. Geblieben ist mitunter das Wahrzeichen des Wracks – die hölzerne Bugzier mit der Figur des weiblichen Wassergeistes Undine, nach dem das Schiff benannt wurde. Östlich der Darßer Schwelle herrschen in der Ostsee nämlich Unterwasserbedingungen, die das Ausbreiten des Schiffsbohrwurms verhindern, sodass Holzreste in der Regel sehr gut konserviert bleiben. Ebendiese Bugzier wurde zum Ziel der Wrackplunderer, die mit professioneller Ausrüstung und Helmtauchgeräten versucht haben, das gesamte Vorsteven zusammen mit der Verzierung abzutrennen und zu bergen. 2023 wurde Marine Research Germany von offiziellen Stellen damit beauftragt, im Rahmen einer Tauchexpedition den Schaden am Wrack zu begutachten und einen Schadensbericht zu erstellen. Im Rahmen dieser Expedition ist unter Anderem auch die vorliegende Wrackzeichnung entstanden.
Comments