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Sowjetischer Düsenjäger Mig-17 im Schweriner See


Flugzeugwracks aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs sind rund um die Welt an allen damaligen Kampfschauplätzen verteilt. Auch In Deutschland findet man sie, entlang der Küste oder in einigen Seen. Deutlich seltener sind Wracks aus der Nachkriegszeit, wie der sowjetische Düsenjäger im Schweriner See. Über die Umstände des Absturzes ist bis heute nur sehr wenig bekannt. Sicher ist, dass es sich um eine sowjetische Maschine handelt, da die Umrisse eines Sterns als Landeskennung noch heute auf einem der Tragwerke erkennbar sind. Augenzeugen haben den Zusammenprall des Düsenfliegers mit einer Agrarmaschine über dem Schweriner Außensee im Jahr 1957 beobachtet, wobei die Absturzstelle relativ schnell vom sowjetischen Militär gefunden wurde und einige Teile geborgen worden seien.


Alle wichtigen Kennungen, wurden bei damaligen Maschinen mit Farbe aufgespritzt und sind heute unter einem dicken Muschelbewuchs nicht mehr erkennbar. Eine Identifizierung des Flugzeugs ohne den Zugriff auf russische Militärarchive dürfte sich somit als äußerst schwierig bis unmöglich erweisen. Und gerade in der heutigen Zeit ist eine solche Archivarbeit auf eine unbestimmte Zeit völlig undenkbar geworden. Bei einer Online-Recherche der deutschen und russischen Quellen hat sich gezeigt, dass die Mig höchstwahrscheinlich zu der 24. Luftarmee der GSSD (Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland) gehörte. Im Jahr 1957 waren insgesamt 16 in der DDR stationierte Regiments mit Maschinen des Typs Mig-17 ausgestattet. Die Gesamtzahl dürfte bei 500 bis 600 Einheiten liegen. Theoretisch, auch wenn mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit, könnte die Mig auch zu einem der beiden im Norden Polens stationierten Regiments gehören. In der Literatur finden sich für das Jahr Hinweise auf insgesamt drei Verluste von Mig-15 und Mig-17 über der DDR, von denen keiner in der Nähe stattgefunden ist. Durch die Geheimhaltung dürfte aber die Dunkelzahl um einiges höher liegen. Insbesondere, wenn man die Absturzhäufigkeit von amerikanischen F-86 »Sabre« aus derselben Zeit zum Vergleich zieht. Die 24. Luftarmee der Sowjetischen Luftstreitkräfte war die am besten ausgestattete Einheit, die als erste über die modernste Technik verfügte (mit all ihren möglichen "Kinderkrankheiten"). Die Piloten hatten doppelt so viele Flugstunden wie der sowjetische Durchschnitt. Allein die Häufigkeit der Flüge musste statistisch für eine hohe Gesamtzahl von Zwischenfällen sorgen.


Interessant ist die Findungsgeschichte des Flugzeugs. Sie zeigt, wie durch fehlenden Informationsaustausch Mehrfachfindungen von Wracks möglich sind. Die Erstfindung fand circa 1990 durch den bekannten Unterwasserarchäologen Klaus Keppler statt. Zu dieser Zeit hat er nach einer bestimmten deutschen Focke-Wulf 190D-9 im Schweriner See gesucht und ist per Zufall auf die Mig gestoßen. Die "Langnase" 190D-9 hat er übrigens auch gefunden und 1990 geborgen ("Schwarze 8", geflogen von Uffz. Karl Fröb, 2./JG.26, in Ausstellung in Berlin-Gatow), jedoch war es nicht die, nach der er suchte. Die "richtige" ("Weiße 2", geflogen von Fw. Bruno Ostrowitzki, 1./JG.26) liegt noch bis heute im See und wartet auf ihre Entdeckung. Mehr als 15 Jahre später ging die exakte Position der Mig-17 verloren, sodass ein Team um den Wrackforscher Carsten Standfuss im Jahr 2006 mit groben Angaben von Klaus Keppler und mit einem Seitensichtsonar bewaffnet, das Wrack erneut entdeckte. Die Bilder des Wracks wurden mit einem spartanischen Satz "Fotos und Wracklage der mit Sonar gefundenen russischen Mig-17 in einem deutschen See" auf der Homepage des U-Boot-Projekts "Euronaut" praktisch ohne Resonanz veröffentlicht. Erst 2013 stießen die Forschungstaucher der Universität Rostock bei ihrer Ausbildung zufällig auf das Wrack, das zu einer Sensation in den Taucherkreisen wurde. Noch immer wird die genaue Position der Mig-17 geheim gehalten, um das Plündern der Wrackteile zu vermeiden. Trotzdem ist es möglich, das Wrack zu betauchen. Die Ausfahrten werden von der Tauchbasis Kosie’s DIVE in Raben Steinfeld durchgeführt. Dabei gelten strenge Vorlagen: Das Mitbringen von GPS-fähigen Geräten ist nicht erlaubt.


Heute, 62 Jahre nach dem Absturz, ist das in 18 Meter Tiefe liegende Wrack, abgesehen

von einem starken Muschelbewuchs, noch immer relativ gut erhalten. Zumindest das Teil, das noch da ist. Im Grunde genommen ist es das halbe Flugzeug, das an der Absturzstelle unter einem Winkel von circa 45 Grad teilweise im Grund eingebohrt steht. Die rechte Tragfläche verläuft waagerecht zum Boden, während die linke praktisch senkrecht in den See ragt. Ihre Spitze ist zusammen mit dem Querruder vor kurzem abgebrochen und liegt neben dem Wrack. Auf der Unterseite beider Tragflächen sind teilweise noch mit Klappen verschlossene Fahrwerke sichtbar. Entlang der Flügeloberseiten verlaufen die sogenannten Grenzschichtzäune, deren Anzahl (3 Stück pro Tragfläche) ein sicheres Unterscheidungsmerkmal gegenüber der sehr ähnlichen Mig-15 ist. Circa 10 bis 15 Meter neben dem Wrack lagen 2006 noch einige weitere Trümmerteile.


Das hintere Rumpfteil mit dem Leitwerk, Höhenrudern und dem schweren Triebwerk fehlen. Sie wurden entweder noch in der Luft oder beim Aufprall auf dem Wasser vom Rest des Rumpfes abgetrennt. Die Trennstelle liegt in etwa dort, wo das hintere Rumpfteil zur Wartung des Triebwerks abmontiert werden konnte. Falls das Triebwerk eines Tages gefunden werden sollte, würde es eine nähere Bestimmung der Flugzeugbaureihe erlauben, indem man sehen könnte, ob es mit einem Nachbrenner ausgestattet ist (Mig-17F und Nachfolger) oder nicht (seltenere Mig-17 "glatt" und Mig-17P). Das vordere Teil des Flugzeugs hat beim Aufprall stark gelitten, ist teilweise im Sediment eingegraben und wurde zur Seite weggebogen. Das Cockpit und seine Verglasung fehlen. Neben den Lufteinlässen des Triebwerks sind noch immer die Läufe

der beiden 23-mm-Geschütze zu sehen. Der Zerstörungsgrad in diesem Bereich lässt es nicht zu, dass man erkennt, ob ein Radar vorhanden ist (Versionen Mig-17P und Mig-17PF – Allwetterjäger). Es ist nicht ausgeschlossen, dass alle wichtigen Elektronikgeräte bereits nach dem Absturz geborgen wurden. Hinter dem Cockpit ist der Rumpf teilweise aufgerissen, sodass man einen flexiblen Treibstofftank erkennt. Beim Durchschuss verschließt sich so ein Tank durch das Aufquellen der Tankwände aus Naturkautschuk selbst.


Die Wrackstelle ist sehr überschaubar. In circa einer Viertelstunde hat man genug Runden um die Mig gemacht, um alle interessanten Details zu erkennen. Trotzdem bietet sie Raum für weitere Recherchen. Die verschiedenen Baumuster der Mig-17-Reihe hatten minimale Unterschiede zueinander. Mal saß eine Inspektionsklappe woanders, mal wurde ein Gerät oder eine Antenne versetzt, mal wurden Aufhängungen für externe Waffen vorgesehen. Wenn man solche Unterschiede im Vorfeld identifiziert und gezielt am Wrack danach sucht, könnte man durch genaue Bestimmung des Flugzeugtyps die Suche nach der dazugehörigen Stafel eingrenzen.


Artikel zuerst veröffentlicht in der Zeitschrift "Wetnotes" Nr. 35

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